Carry Trade Strategie – Die wichtigsten Details im Überblick

Wenn der einfache Anleger das Wort Zinsen hört, denkt er derzeit wohl vor allem an die schlechten Konditionen, die ihm sein Giro- oder auch Tagesgeldkonto bieten. Positiver dürften Kreditnehmer gestimmt sein, wenn sie auf den Begriff Zinsen angesprochen werden. Erweitert das derzeitige günstige Zinsniveau doch gerade für Personen mit nur bescheidenem Vermögen die Spielräume ungemein. An den Begriff Carry Trade dürften dagegen wohl die wenigsten Anleger beim Stichwort Zinsen denken. Dabei handelt es sich bei der sogenannten Carry Trade Strategie um eine Anlagemöglichkeit, die vor allem auf den unterschiedlichen Zinsniveaus verschiedener Währungsräume basiert und diese renditewirksam auszunutzen versucht. Der Grund, dass diese Anlagemöglichkeit so wenig bekannt ist, dürfte vor allem daran liegen, dass sie derzeit als Anlagestrategie eher etwas aus der Mode geraten zu sein scheint und darüber hinaus vor allem von institutionellen Anlegern eingesetzt wird. Darüber hinaus findet Carry Trading zumeist im Verborgenen statt und stellt eine hochspekulative Anlagemöglichkeit dar.

Dabei hat die Carry Trade Strategie mit dem Fremdwährungsdarlehen auch einen weitaus weniger spekulativen Ursprung. Anders als in Deutschland wird diese Darlehensform in einigen anderen Ländern auch ganz selbstverständlich von Banken angeboten. In diesem Beitrag möchten wir erklären, was bei einem Carry Trade geschieht, von wem diese Strategie vor allem eingesetzt wird und wie möglicherweise auch Privatanleger hiervon profitieren können.

Der Fremdwährungskredit als Ursprung

Der Begriff Carry Trade dürfte den wenigsten bekannt sein und auch das Wirkungsprinzip klingt zunächst kompliziert. Einfacher verständlich wird es, wenn man sich ein ganz ähnliches Prinzip vor Augen führt, welches in vielen europäischen Ländern zum Standardangebot vieler Kreditinstitute gehört, nämlich den sogenannten Fremdwährungskredit.

Insbesondere in osteuropäischen Ländern wie Ungarn oder Polen aber auch in anderen europäischen Staaten war es bis vor wenigen Jahren durchaus gängige Praxis, das Banken an Kreditkunden Kredite in Fremdwährungen vermittelten oder selber ausreichten. Während dabei etwa in der Währung des jeweiligen Heimatlandes ein Zinssatz von angenommenen fünf Prozent herrschte, wollten sich die Kreditkunden so die niedrigen Zinsen etwa im Euroraum oder auch in der Schweiz zu Nutze machen. Gerade mit Blick auf den Schweizer Franken oder auch den Euro erschien eine solche Strategie durchaus plausibel, da durch die Aktivitäten der jeweiligen Zentralbanken das Währungsrisiko als beherrschbar gelten konnte. Die Zentralbanken verfolgen das Ziel, die Währungsverhältnisse stabil zu halten. Im Vergleich zur Kreditaufnahme in der Heimatwährung sparten sie Kreditnehmer auf diese Weisen oftmals die Hälfte oder noch mehr der Zinszahlungen.

Funktionsweise von Carry Trade Strategien

Genau an dieses Prinzip knüpft die Strategie des Carry Tradings an. Genau genommen spricht man von Currency Carry Trade, da ja im Grunde mit Währungen gehandelt wird. Auch bei einer solchen Operation macht sich der Händler Zinsunterschiede zwischen zwei verschiedenen Währungen zu nutzte. Konkret nimmt auch der Carry Trader einen Kredit in einer Fremdwährung auf, in der ein niedriges Zinsniveau verlangt wird und kauft damit Zinspapiere oder auch eine andere Währung, bei der ein höheres Zinsniveau gilt. Dadurch, dass die Zinszahlungen für die gekaufte Währung höher sind, als die Zinsverpflichtungen für das geborgte Kapital, kann der Anleger mit einen Gewinn rechnen, dessen Höhe sich aus der jeweiligen Zinsdifferenz und natürlich dem eingesetzten Kapital ergibt. So betrachtet wäre sowohl ein Fremdwährungsdarlehen als auch das Carry Trading eine ziemlich sichere Angelegenheit, allerdings kommt noch eine zweite zentrale Komponente hinzu, die über Gewinn und Verlust einer entsprechenden Operation entscheidet. Von zentraler Bedeutung ist nämlich auch das Wechselkursverhältnis zwischen beiden Währungen.

Der Wechselkurs als große Unbekannte

So lange sich das Verhältnis in einem engen Rahmen bewegt, besteht für den finanziellen Erfolg dieser Strategie wenig Gefahr. Kommt es jedoch zu starken Schwankungen, gerät die Rechnung der Spekulanten aus dem Gleichgewicht. Dabei sind aber grundsätzlich beide Fälle möglich. Es besteht durchaus auch die Möglichkeit, dass der Anleger, der Strategie des Carry Trading folgt, durch Wechselkursveränderungen seinen Gewinn vergrößert. Möglich ist aber auch das direkte Gegenteil: nämlich dass durch unerwartet starke Kursverluste einer Währung der Gewinn durch den Zinsunterschied zunichte gemacht wird und diesen sogar übersteigt.

Ein besonders markanter Fall fand im Januar des Jahres 2015 statt, als die Schweizer Nationalbank, die über mehrere Jahre verfolgte Bindung des Wechselkursverhältnisses des Schweizer Franken an den Euro von einem Tag auf den anderen und für die meisten Marktteilnehmer völlig unerwartet aufgab. An einem Tag wertete der Schweizer Franken massiv gegenüber anderen Währungen wie etwa dem Euro auf und Anleger, die Kredite in Schweizer Franken aufgenommen hatten, mussten nun vielmehr Geld in ihrer Heimatwährung aufwenden, um die Kredite in Schweizer Franken bedienen zu können. Diese Entwicklung traf gleichermaßen Bankkunden, welche Kredite in Schweizer Franken aufgenommen hatten, um etwa den Kauf oder Bau von Immobilien zu finanzieren. Genauso wurden aber auch Carry Trader von dieser Entwicklung kalt erwischt und mussten massive Verluste hinnehmen.

Die Bedeutung dieser Art des Handels

Besonders bemerkenswert am Carry Trading ist der Umstand, dass es nach der wissenschaftlich anerkannten Zinsparitätstheorie eigentlich gar nicht möglich sein dürfte, aus Geschäften, die auf Zinsunterschieden beruhen, Gewinne zu erzielen. Hintergrund ist die Annahme, dass es sich bei Zinsunterschieden von Währungen um Arbitragen handelt, die durch entsprechende Geschäfte sofort ausgeglichen werden. Das heißt, dass die wachsende Nachfrage nach einer Währung, die durch einen höheren Zinssatz ausgelöst wird, die Kursrelation der beiden Währungen so verändert, dass die Zinsgewinne durch die Kursverluste praktisch aufgehoben werden. Vergleichbar ist der Vorgang etwa mit der Kursentwicklung einer Aktie nach Auszahlung der Dividende.

Nach dem der Stichtag, der für die Auszahlung entscheidend ist, verstrichen ist, sinkt der Wert einer Aktie in der Regel exakt um den Betrag der Dividendenzahlung. Etwas Ähnliches passiert im Falle von Zinsgeschäften: Die Anleger preisen den Zinsvorteil einer Währung in ihre Kaufentscheidungen ein und der Markt spiegelt diese Entwicklung in einem entsprechenden Kursniveau wider. So zumindest die Theorie. Gegen diese theoretische Annahme spricht allerdings eine Reihe von Fakten. So ist es verschiedenen Finanzmarkteakteuren über längere Phasen kontinuierlich gelungen, über eine Carry Trade Strategie beachtliche Renditen zu erzielen. De facto hatte sich der auf Zinsunterschieden beruhende Handel mit Währungen zu einem hochprofitablen Geschäft entwickelt. Von der deutschen Bundesbank wurde dabei für die Jahre von 1999 bis 2005 errechnet, dass mit einer entsprechenden Strategie jährliche Renditen von 15 Prozent auf das eingesetzte Kapital möglich waren.

Hintergrund dieses Widerspruches zwischen der Theorie der Arbitrage und der Realität dürfte vor allem sein, dass es sich auch bei Währungen um Anlageprodukte handelt, die in unterschiedlichem Umfang spekulativen Entwicklungen ausgesetzt sind. Währungen können sich aufgrund von Markterwartungen oder auch in Folge von tatsächlichem Eingreifen von Zentralbanken oder anderer großer Investoren, ober- aber auch unterhalb ihres eigentlichen „Marktwertes“ bewegen. Dadurch dass am Währungsmarkt zum Teil sehr große Akteure wie Zentralbanken aber auch große Fonds für oder gegen eine Währung spekulieren, führen Arbitragegeschäfte aufgrund von Zinsunterschieden eben nicht unmittelbar zu der eigentlich erwarteten Kursentwicklung. Darauf folgt allerdings, dass es sich beim Carry Trading um eine hoch komplexe Angelegenheit handelt, die für den einzelnen Privatanleger kaum ohne weiteres zu durchschauen sein dürfte. Und auch große, institutionelle Anleger haben mit entsprechenden Geschäften auch schon massive Verluste erlitten.

Die Bedeutung des Carry Tradings in der heutigen Zeit

Die bis hierher beschriebenen Umstände, die für eine Verfolgung einer Carry Trade Strategie sprechen, zeigen, dass es natürlich vor allem von einigen Rahmenbedingungen abhängt, ob Anleger eine entsprechende Strategie anwenden. In der Phase der 90iger Jahre bis etwa Mitte der 2000er Jahre waren gerade zwischen Euro, Dollar oder Yen mitunter starke Zinsunterschiede zu verzeichnen, während darüber hinaus eine stabile Politik der Notenbanken dafür zu sorgen schien, dass sich die Kurse in verlässlichen Korridoren bewegten. Allerdings setze danach eine Phase fallender Zinsen ein, die vor allem durch koordinierte Entscheidungen verschiedener Zentralbanken herbeigeführt wurde. Damit verlor auch das Carry Trading an Attraktivität. Eine neue Relevanz erlangen Zinsunterschiede nun aber wieder vor dem Hintergrund der erwarteten Zinswende in den USA. Angelockt durch niedrige Zinsen für den Dollar haben sich viele Staaten aber auch Unternehmen in Schwellenländern, in denen deutlich höhere Zinsen verlangt werden, Kredite in Dollar aufgenommen.

Darüber hinaus ist auch zu vermuten, dass umfangreiche Positionen aus reiner Spekulationsabsicht eröffnet wurden, auch wenn es hierüber keine verlässlichen Daten gibt. Mit der Zinswende, die im Dezember 2015 durch eine erste leichte Erhöhung des Leitzinses durch die amerikanische Zentralbank Fed nach Einschätzung vieler Marktbeobachter eingeleitet wurde, ist nun auch von steigenden Dollarkursen und vor allem wachsenden Finanzierungskosten für in Dollar gehaltenen Darlehen auszugehen. Zwar sind die meisten Darlehen in Form von Anleihen vergeben, die in der Regel über eine langfristige Zinsbindung verfügen. Trotzdem sorgt auch hier der steigende Wert des Dollars dafür, dass die Zinsen, in der Heimatwährung gerechnet, steigen. Noch kritischer wird es darüber hinaus, wenn die Anleihen auslaufen und neu finanziert werden müssen. Durch die Wechselkursentwicklung hat sich auch der Wert der Anleihe im Bezug zur Heimatwährung vergrößert und der Schuldenstand eines Unternehmens ist somit faktisch gestiegen.

Volkswirtschaftlich kann eine solche Entwicklung zu einem fundamentalen Risiko auswachsen, da Unternehmen unter der wachsenden Schuldenlast kollabieren und in die Insolvenz rutschen können. Und auch wenn die Unternehmen stark genug sind, die Anleihen zu bedienen, drohen weitere Risiken. Denn für den Schuldendienst muss Geld der Heimatwährung in die Kreditwährung, wie etwa den Dollar, getauscht werden. Das führt gerade bei weniger bedeutenden Währungen von Schwellenländern schnell zu einem weiteren Kursverfall. Den Chancen, die sich Kreditnehmer und Anleger von der Strategie des Carry Tradings versprechen, stehen also neben individuellen bzw. betriebswirtschaftlichen Risiken auch volkswirtschaftliche Gefahren gegenüber. Im schlimmsten Fall können in den Volkswirtschaften Währungskrisen und wirtschaftliche Abwärtsspiralen ausgelöst werden, die die Wirtschaftskraft eines Landes für lange Zeit schwächen können.

Wie kann der Privatanleger von dieser Strategie profitieren?

Für den Privatanleger stellt sich die Frage, inwiefern er von einer entsprechenden Strategie profitieren kann. Die Antwortet lautet: Wohl nur in sehr geringem Umfang und wenn dann auch nur eher unmittelbar. Der Grund dafür ist zunächst, dass entsprechende Handelsstrategien zumindest in Deutschland nicht einfach so angeboten werden. Der Anleger müsste diese Strategie also auf eigene Faust umsetzen. Das hieße aber einerseits, dass die Summen, die für eine entsprechende Position aufgewendet werden müssen sehr hoch wären, um die ebenfalls sehr hohen Kosten des Währungskaufes in Form von Gebühren zu finanzieren. Einen Eindruck davon kann sich der Anleger im gehebelten Währungshandel verschaffen. Hier werden bei Positionen, die über Nacht gehalten werden, sogenannten Finanzierungs- oder auch Roll Over Kosten verlangt, die sich faktisch auch aus dem Zinsunterschied zwischen den beiden gehandelten Währungen ergeben.

Bei einer entsprechenden Konstellation können diese Roll Over Kosten auch „negativ“ ausfallen, das heißt, der Anleger erhält einen kleinen Betrag gutgeschrieben. Im Handel einer Währung mit 1,0 Prozent Zinsen (z.B. Euro) gegen eine zweite Währung mit einem Zinssatz von 0,1 Prozent Zinsen (z.B. japanischer Yen) müssten schon 100.000 Lot gehandelt werden, um eine Zinsgutschrift von etwa 2,50 Euro für einen Tag zu erzielen. Angesichts der Chancen bzw. Risiken, die in der Kursentwicklung liegen, nimmt dieser Gewinn wohl nur eine eher untergeordnete Bedeutung ein. Viel wichtiger ist aber, dass es sich bei entsprechenden Anlagestrategien um hoch komplexe Zusammenhänge handelt, die selbst für Experten nur schwer zu durchschauen und vorherzusehen sind, geschweige denn für einen Privatanleger. Daher dienen Kenntnisse bezüglich Carry Trading wohl eher als Wissen für die indirekte Anwendung.

So können Kenntnisse über ein hohes Fremdwährungskreditaufkommen in einem bestimmten Land oder eines bestimmten Unternehmens dahingehend genutzt werden, um einzuschätzen, wie sich eine Veränderung des Währungsgefüges auswirken könnte. Weiß der Anleger etwa, dass in einem Schwellenland sich ein bestimmtes Unternehmen sehr hoch in Dollar verschuldet hat und der Dollar aufgrund einer Zinserhöhung steigt, so könnte es eine gute Strategie sein, auf eine Abwertung der Aktie dieses Unternehmens zu setzen. In Bezug auf eine ganze Volkswirtschaft wäre auch eine entsprechende Währungsspekulation aussichtsreicht. Dabei sollte aber der Anleger stets bedenken, dass auch andere über dieses Wissen verfügen und womöglich schon entsprechend gehandelt haben. Darüber hinaus reagieren Kurse insbesondere beim Forex Handel nicht selten eher irrational.

Fazit zum Carry Trading

Wissen ist an der Börse sicher ein sehr wichtiger Faktor – aber nicht jedes Wissen sollte auch in Handlungsstrategien umgesetzt werden. Für einen Privatanleger erscheint die Strategie des Carry Tradings insgesamt als ungeeignet. Gleichwohl ist es natürlich durchaus von Vorteil, über entsprechende Mechanismen Bescheid zu wissen und diese in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Insbesondere für Anleger, die verstärkt mit Währungen handeln und im Ausland investieren, sind Kenntnisse über die Zusammenhänge von Zinsniveaus und Wechselkursentwicklungen eine zentrale Basis für Anlageentscheidungen. Es lohnt sich also durchaus, sich auch mit Trading Strategien zu beschäftigten, die man am Ende höchstwahrscheinlich gar nicht anwendet.

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